Krisen-Navigation mit kühlem Kopf und mutigem Herzen

Im Interview geht Iris Wirz auf die entscheidenden Punkte in der Krisenprävention und -bewältigung ein.

Was ist eine Kommunikationskrise?

Wenn ein Schwachpunkt einer Organisation, einer Firma oder einer bekannten Persönlichkeit in einem wichtigen Umfeld oder in der breiten Öffentlichkeit bekannt wird, kann es zu einer Eskalation kommen. Das hängt vom Thema und den beteiligten Personen ab. Typisch ist, dass die betreffende Person, Firma, Organisation die Kontrolle über die Kommunikation zu diesem Thema verliert und nur noch reagiert bzw. getrieben wird.

Und wenn es diesen Schwachpunkt in Wahrheit gar nicht gibt?

Es ist für die Entstehung der Krise nicht relevant, ob der Vorwurf stimmt, sondern ob er eine schlüssige und gute Story ergibt, die auf Interesse stösst. Es gibt zahlreiche Beispiele von gezielt inszenierten Vorwürfen, die erst nach vielen Jahren offiziell entkräftet werden. Dann ist in der Regel die Karriere ruiniert, der Job weg und manchmal auch die Familie entzweit. Klassische Fälle von «Schwarzer Propaganda».

Wie lässt sich eine Kommunikationskrise verhindern?

Das beste Krisenhandling besteht in der Früherkennung einer potenziellen Krise. Es werden dann gezielt Massnahmen ergriffen oder bestimmte Dinge einfach nicht getan, so dass die Krise nicht stattfindet. Diese Phase ist die wichtigste in der Krisenkommunikation!

Wie werden Firmen oder Organisationen fit in der Krisenkommunikation?

Eine gewisse Krisenfitness ist ab einer gewissen Bekanntheit und Grösse ein Muss. Das Krisenkommunikationskonzept legt die Basis. Dabei werden mögliche Krisenfälle angeschaut, passende Massnahmen definiert und konkret durchgespielt. Die vorstellbaren Krisenszenarien werden im Team geübt.

Machen denn die Mitarbeitenden da wirklich mit?

Es mag etwas Überwindung kosten, die Krise zu üben. Doch das ist viel effektiver als nur darüber zu sprechen. Im Ernstfall sind viele Menschen zuerst einmal verdattert, ratlos und können nicht mehr nachdenken. Da ist es hilfreich, ein konkret geübtes Verhalten abrufen zu können – bewusst oder unbewusst. Ausserdem führt die konkrete Auseinandersetzung dazu, dass die Akteure für sich anbahnende Krisen stärker sensibilisiert sind. Wie die Scouts im Wilden Westen lesen sie Spuren im Sand und hören sie das Gras wachsen. Mit dieser offenen Haltung lassen sich viele Krisen im Keim ersticken. Falls die Krise trotzdem stattfindet, kann ein krisentrainiertes Team sehr rasch handeln und Lösungen umsetzen. Tempo ist ganz entscheidend in einer Kommunikationskrise.

Welches sind die grössten Fehler im Krisenfall?

Immer wieder verlieren auch grosse Firmen, Behörden oder Organisationen die Kommunikationshoheit über ein bestimmtes Thema, und die Kommunikationskrise bricht aus. Das passiert in der Regel dann, wenn intern gewisse Entwicklungen unter den Teppich gekehrt werden bzw. sich das Management weigert, der Situation ins Auge zu blicken. Es herrscht vielleicht eine Kultur des Schweigens über gewisse Themen. Man hofft, dass der Sturm nicht ausbricht oder sanft vorübergeht. Man ist überzeugt von der eigenen, wichtigen Position und kann sich einen solchen Angriff einfach nicht vorstellen. Im Umfeld traut sich niemand, die hässlichen, kritischen Fragen zu stellen. Gerade dieses Nicht-wahrhaben-wollen löst dann unter Umständen den zündenden Funken erst aus. Doch ein Flächenbrand lässt sich viel schwerer löschen als ein Funke. Frühes Eingreifen spart sehr viel Geld.

Worauf kommt es an?

Es geht darum, wieder die Kommunikationshoheit über das Thema zurückzugewinnen. Das geschieht nicht, indem man sich versteckt, sondern indem proaktiv und geschickt kommuniziert wird. Kluges Agieren in Verbindung mit glaubwürdigen Persönlichkeiten bewirken Wunder. Der richtige Weg ist im Einzelfall trotz Zeitnot sehr genau zu prüfen und in Windeseile umzusetzen. Das setzt eine grosse Erfahrung und starke Nerven voraus.

Was muss geschehen, wenn die Krise bereits ausgebrochen ist?

Je rascher professionelle Hilfe geholt wird, desto kürzer die Krise. Der finanzielle Schaden, der Reputationsverlust und der Kundenverlust wird umso grösser, desto länger die Krise dauert.

Welche Erfahrung haben Sie in der Krisenkommunikation?

Ich habe mich persönlich sehr früh mit dem Thema befasst. Ich habe die besten Expertenberichte und besten Beispiele recherchiert. Das war die Grundlage für ein Basis-Krisenkommunikationskonzept, das auf verschiedene Situationen und Branchen anwendbar ist.

Diese Grundlage half uns, im Laufe der Jahre mehrere Kommunikationskrisen für Kunden zu verhindern bzw. zu lösen. So haben wir einige Jahre eine Organisation begleitet, die sich als Teil ihres Geschäftsmodells immer wieder mit Krisen befassen muss. Zudem habe ich in einer Hilfsorganisation als neues Vorstandsmitglied erfolgreich die Kommunikation in einer bestehenden Krise geleitet. Die Situation wurde sehr rasch und nachhaltig gelöst. Die vorher regelrecht verfeindeten Lager arbeiten seitdem friedlich und sehr erfolgreich zusammen.

Was schützt gegen Kommunikationskrisen?

Glaubwürdigkeit und Vertrauen kann viele Kommunikationskrisen verhindern. Im Krisenfall kommt es auf die proaktive Kommunikation an – allerdings sollte sie sehr gezielt stattfinden.

Was tun in der Kommunikationskrise

  • Nicht verstecken
  • Nicht schönreden
  • Augen auf statt schliessen
  • Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren
  • Profis beiziehen und Sofort-Strategie entwickeln und umsetzen
  • Kontrolle zurückgewinnen
  • Bei Bedarf Fehler eingestehen
  • Glaubwürdig werden oder bleiben
  • Ablenkungsmanöver sind möglich, aber ausgesprochen heikel –
    falls überhaupt, dann nur als parallele Massnahme empfehlenswert
  • Aus den Fehlern lernen und Veränderung auslösen
  • Demut zeigen

Kommunikationskrisen verhindern: erste Tipps

  • Arbeiten Sie an der Glaubwürdigkeit
  • Umgeben Sie sich nicht nur mit Ja-Sagern
  • Nehmen Sie Kritik ernst
  • Hören Sie Kritikern offen und nicht wertend zu
  • Befassen Sie sich aktiv mit der Zukunft und den möglichen Gefahren
  • Spielen Sie die möglichen Krisen und Kommunikationsflops gedanklich durch
  • Definieren Sie die Mechanismen: Wer informiert wann wen wie schnell?
  • Spielen Sie im Team Szenarien durch
  • Ziehen Sie externe Unterstützung bei
  • Reagieren Sie proaktiv auf sich anbahnende Krisen
  • Unterschätzen Sie niemals den Wert der Glaubwürdigkeit
  • Verzichten Sie auf Schönrednerei
  • Versetzen Sie sich gedanklich in die Lage der Anspruchsgruppen und Kritiker
  • Bauen Sie Vertrauen auf und verstärken Sie es immer wieder

Iris Wirz c&p communications
Max-Högger-Strasse 6
CH-8048 Zürich